Wir unterstützen den offenen Brief an die Sächsische Staatsregierung zur Situation von Kultureinrichtungen unter Corona

Seit fast zwei Jahren gibt die Corona-Pandemie und deren Bekämpfung den Takt für das gesellschaftliche Leben vor. So auch in Sachsen. Kultureinrichtungen gehörten im März 2020 zu den Bereichen, die für mehrere Wochen schließen mussten. Im November 2020 folgte für ein halbes Jahr ein weiterer Kultur-Lockdown für Veranstaltungen und Publikumsverkehr. Seit dem Sommer 2021 arbeiten Kultureinrichtungen in Sachsen mit strengen Hygienekonzepten, die Personal und Publikum viel abverlangen mit Impf- und Testnachweisen, Maskenpflicht und Abstandsregeln. Künstlerisches Produzieren und Öffnen für Besucherinnen und Besucher unter Corona-Bedingungen sind inzwischen Routine.

Seit dem 22. November 2021 befinden sich Kultureinrichtungen in Sachsen jedoch erneut im Kultur- Lockdown und in diesem Umfang nur in Sachsen, gerechtfertigt durch eine unterdurchschnittliche Impfquote und zwischenzeitlich eine der höchsten Inzidenzen bundesweit. Dank rigider Maßnahmen der Landesregierung und Ausweitung der Impfungen konnten die Ansteckungen eingedämmt werden.

Die Kultureinrichtungen haben diese erneute Schließung mitgetragen in der Hoffnung, damit eine verlässliche Perspektive für das neue Jahr zu ermöglichen. Durch die Landesregierung wurde nun in Aussicht gestellt, dass Kultureinrichtungen ab Mitte Januar wieder öffnen können, jedoch unter sehr strengen Auflagen. Der Entwurf der Sächsischen Corona-Verordnung, die ab 14. Januar gelten soll, trübt die Freude auf die in Aussicht gestellten Öffnungen für Kultureinrichtungen. Denn durch die Verbindung der Öffnung von Kultureinrichtungen mit der Auslastung von Krankenhausbetten mit Corona-Patienten steht erneut die Schließung in Aussicht, insbesondere wenn man den Prognosen der Wissenschaft hinsichtlich der Ausbreitung der Omikron-Mutation folgt.

Die Kulturministerkonferenz hat sich am 5. Januar zur Rolle der Kultur in Pandemiezeiten geäußert. Kulturangebote bieten aus Sicht der Ministerinnen und Minister Möglichkeiten der öffentlichen Verständigung, die gerade in diesen Zeiten geboten ist. Dem sei politisch Rechnung zu tragen und Schließungen kultureller Angebote seien nur in äußersten Notlagen gerechtfertigt. Sie dürften nicht isoliert erfolgen, sondern müssten in ein Gesamtkonzept eingebunden sein, das die tatsächliche Wirkung auf das Infektionsgeschehen gewichte. Die Pflicht zur Begründung für Beschränkungen des Kulturbetriebs sei »sehr ernst zu nehmen«, so die Kulturministerkonferenz.

Am 7. Januar beriet die Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler über die weiteren Vorsorgemaßnahmen in der Corona-Pandemie und vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Omikron-Variante. In Punkt 3 des Beschlusspapieres wurde sich darauf verständigt, dass »bundesweit der Zugang zu Einrichtungen und Veranstaltungen der Kultur- und Freizeitgestaltung (Kinos, Theater, etc.) inzidenzunabhängig nur für Geimpfte und Genesene (2G) möglich« bleibt. Die Regierungschefs der Länder wissen also um die Bedeutung der Kultur und Kulturwirtschaft in unserem Land und um deren Verletzlichkeit.

Die Kultureinrichtungen in Sachsen sind auf das Szenario, Zugang zu Kultur nur für Geimpfte und Genesene vorbereitet. Der Besuch der Kultureinrichtungen in Sachsen wird darüber hinaus auf absehbare Zeit nur möglich sein mit 2G+, also Geimpft/Genesen/Getestet oder Geboostert, mit Mindestabständen und dem Tragen einer FFP2-Maske.

Einen unbeschwerten Kulturgenuss haben wir alle noch anders in Erinnerung, aber Kulturinstitutionen wie die große Mehrheit des inzwischen geimpften Publikums sind verantwortungsbewusst und bereit, diese Auflagen zeitweilig auf sich zu nehmen, um endlich wieder Kultur und Kunst vor Ort im Museum, Kino, Konzertsaal und Theater erleben zu können.

Umso ernüchternder ist nun die Rückfalloption, die die Sächsische Staatsregierung im Entwurf der neuen Sächsischen Corona Notfall-Verordnung für die Zeit ab 14. Januar vorsieht. Trotz strengster Hygiene-Auflagen, Beschränkung der Öffnung nur auf Geimpfte und Genesene (Ausnahme: Kinder), FFP2-Maskenpflicht und Kapazitätsbeschränkungen auf 50% und nach Quadratmetern sowie maximal 250 zulässigen Zuschauern unabhängig von der Größe des Saales, stehen die Kultureinrichtungen wieder vor der drohenden Schließung und damit einem vierten Kultur-Lockdown.
 
Einen Nachweis, dass Theater, Kinos, Museen und Konzertsäle mit Raumluftfilteranlagen und reduzierter Kapazität einen Infektionsherd darstellen, gibt es nicht. Jedoch einen Passus im Infektionsschutzgesetz, dass der Bundestag am 10. Dezember 2021 verabschiedet hat. Demnach dürfen die Landesregierungen weder Versammlungen verbieten noch das Verreisen. Auch die Anordnung von Ausgangbeschränkungen oder das Schließen von Sporteinrichtungen sind demnach nicht zulässig. Nur für die Gastronomie sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen sieht der Gesetzgeber die Option der Schließung vor. Dabei handelt es sich jedoch um eine Ermessensentscheidung.

Wenn nun die Sächsische Staatsregierung mit Verweis auf eine Minderheit der Ungeimpften begründet, warum alle Kultureinrichtungen erneut unter dem Vorbehalt der Schließung stehen, wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen und gegenüber den Kultureinrichtungen – im Unterschied zum Einzelhandel und anderen Bereichen – indirekt ein besonderes Misstrauen hinsichtlich der Kontrolle und Durchsetzung von 2G/2G+-Regeln suggeriert. Eine Art Erziehungsmaßnahme oder Symbolpolitik, die die Falschen trifft, Vertrauen verspielt, Existenzen gefährdet und diejenigen, die es zum Impfen und Maske tragen bewegen soll, ohnehin nicht überzeugen wird.

Für die vielfältigen Kultureinrichtungen in Sachsen bedeutet das eine weitere Marginalisierung und Demotivierung bis hin zur Existenzbedrohung für privatwirtschaftliche Veranstalter. Ein weiterer Kultur-Lockdown ist nicht mit Geld zu heilen. Das mehrfache kurzfristige Schließen, zwischenzeitliche Öffnen und erneute Schließen zermürbt Veranstalter, Betreiber, Beschäftigte und Publikum gleichermaßen und gefährdet Kunst und Kultur in ihren Grundfesten.

Kultureinrichtungen – unabhängig von Rechtsform und Trägerschaft – sind Teil unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses und Zusammenhaltes. Deshalb sollten Kultureinrichtungen auch in Corona-Zeiten in Sachsen als Teil der Lösung einer umfassenden Problemlage und nicht als Teil des Problems verstanden und behandelt werden. Mit Verweis auf die Kulturministerkonferenz bleibt festzustellen: Wer die Notlage der Kultur nicht erkennen will, wird sie mit Verweis auf mögliche Notlagen geschlossen in die Notlage treiben.
 
Erstunterzeichner

Andrea Hilger, OSTRALE Dresden
Andrea O’Brien, Erich-Kästner-Haus für Literatur
Annekatrin Klepsch, Bürgermeisterin für Kultur und Tourismus
Bernhard Reuther, Zentralkino Dresden
Carena Schlewitt, Intendantin Europäisches Zentrum der Künste Hellerau
Christiane Mennicke, Direktorin Kunsthaus Dresden
David Adam, DADA VADIM
David Klein, Kulturraumsekretär Landeshauptstadt Dresden
Felicitas Loewe, Intendantin tjg. theater junge generation
Frauke Roth, Intendantin Dresdner Philharmonie
Heiki Ikkola, Intendant Societaetstheater Dresden
Holger Gehring, Kreuzorganist und Musikbüro der Kreuzkirche Dresden
Joachim Klement, Intendant Staatsschauspiel Dresden
Kathrin Kondaurow, Intendantin Staatsoperette Dresden
Klubnetz Dresden
Lutz Hillmann, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen im Deutschen Bühnenverein
Milko Kersten, Präsident Sächsischer Musikrat
Olaf Becker, Boulevardtheater Dresden
Paul Elsner, Geschäftsführer GEH8 Kunst Raum Ateliers
Peter Theiler, Intendant Staatsoper Dresden – Semperoper
Roland Schwarz, Direktor Technische Sammlungen Dresden
Sächsischer Literaturrat e.V.
Scheune e.V. Kulturzentrum
Stefan Ostertag, Filmtheater Schauburg
Stiftung Frauenkirche Dresden
Thomas Schuch, Kabarettist und Theaterbetreiber
Torsten Tannenberg, Geschäftsführer Sächsischer Musikrat
Vorstand Deutsches Hygienemuseum Dresden
Wir gestalten Dresden – Branchenverband der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft e.V.
Wolfgang Rothe, 
Kaufmännischer Geschäftsführer Sächsische Staatstheater

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